„Auch wenn über uns gesprochen wird, geht es nicht wirklich um uns…“

Eindringlicher Appell des Jugendverbands an Synode am 7. Juni beim Schwerpunktthema „Jugend“

Noch ist unklar, ob der aufwendig organisierte und mit einer hohen Teilnehmer*innenzahl seitens der jungen Menschen vergangenen Freitag stattgefundene Jugendsynodaltag die sogenannte „Erwachsenenkirche“ dazu bewegen kann, tatsächlich umzudenken und die Weichen zu stellen für jugendfreundliche Strukturen und mehr Unterstützung der Jugendarbeit. Denn es wurde am darauffolgenden Samstag nur ein Beschluss gefasst zum Thema, nämlich dass es in jeder Legislaturperiode eine Synode mit dem Schwerpunktthema Jugend geben wird.

Mehr Beschlüsse zu Veränderungen der kirchlichen Strukturen im Sinne junger Menschen, zur Sicherung und Aufstockung der finanziellen und personellen Ressourcen, zu einer Stärkung des Jugendverbands und zum Ausbau der Social Media Präsenz in der Jugendarbeit wären wünschenswert. Die Evangelische Jugend Pfalz hofft nun, dass das unglaublich reiche Potential, das für die Synode am Freitag sichtbar wurde, langfristig zu diesen Ergebnissen führen wird.

Der Tag begann mit der Morgenandacht durch die Vorsitzenden der Evangelischen Jugend Pfalz (Lea Grenz, Lisa-Sophie Hoffmann und Florian Geith). Danach ging es ins Thema, im zeitlichen Ablauf leider verzögert durch die Formalia der Synode, mit dem Vortrag von Professorin Dr. Gunda Voigts (HAW Hamburg) mit dem Titel „Auch wenn über uns gesprochen wird, geht es nicht wirklich um uns…“. Sie skizzierte zunächst die Situation junger Menschen anhand der JuCo Studien der Uni Hildesheim (Neueste JuCo IV: Der Einfluss der Corona-Pandemie auf das Wohlbefinden junger Menschen) und den gesellschaftlichen und politischen Versäumnissen. So wurden in der Pandemie junge Menschen in einer Rolle (als Schüler*in/Student*in/Auszubildende) konstruiert anstatt mit ihren Bedürfnissen gesehen. Sie wurden beim Impfen an den Schluss gestellt, soziale Unterschiede wurden deutlicher und das alles, obwohl sie sehr viel aus Rücksicht und Verantwortungsbewusstsein für ihre Familie und Ältere verzichteten. Obwohl die Pandemie im Frühjahr 2023 als beendet erklärt wurde, fühlen sich junge Menschen emotional deutlich belasteter als vor der Pandemie. Die Angst vor der Zukunft hat besonders bei jungen Mädchen und Frauen nicht gegenüber der ersten JuCo Studie nachgelassen. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen machen sich Sorgen über das, was weltweit passiert. 75% der jungen Menschen denken, dass ihre Sorgen in der Politik nicht gehört werden.

Laut Gunda Voigts könnte Jugendarbeit dem begegnen, indem Jugendlichen die Möglichkeit der Selbstpositionierung und der Verselbständigung geboten wird. Im SGB VIII ist es ausdrücklich formuliert, dass Jugendarbeit ein „unverzweckter“ Ort für junge Menschen sein soll.
Jugendarbeit muss – um für Jugendliche interessant zu sein – folgendes bieten: Freiräume und sicherer Hafen sein; Fachkräfte, die akzeptieren und unterstützen; Freizeitgestaltung, die Spaß macht und den Ort sozialer Peerkontakte. Wenn dies gelingt, erläuterte Prof. Voigts, hätte Jugend(verbands)arbeit große Potentiale, um junge Menschen hinsichtlich ihrer Bildung, ihres Gemeinschaftssinns, ihres Verantwortungsbewusstseins und ihres Integrationspotential zu stärken und somit zu „Produzent*innen“ (und nicht nur zu Co-Produzent*innen) ihrer Jugendverbände zu werden.
Voigts stellte die These auf, dass der Grad der Partizipation von Kindern und Jugendlichen Auskunft gibt über die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft. Und sie endete mit dem Zusatz, dass dies auch für die Evangelische Kirche der Pfalz gelte.

Beim anschließenden Podiumsgespräch machten die ausnahmslos jungen Teilnehmenden deutlich, dass sie sich von der Kirche wünschen, dass sie Räume zur Verfügung haben – physische und soziale unverzweckte Räume - , dass ihnen Vielfalt und Diversität wichtig ist und dass sie vor allem möchten, dass Kirchenvertreter*innen auf sie zugehen, in ihre Strukturen reinschauen, von ihnen lernen und dadurch Teilhabe- und Entscheidungsstrukturen sich ändern.

Nach der Mittagspause, in der sich sehr unterschiedliche Arbeitsbereiche und Gruppen mit Ständen vorstellten, in der Spiele gespielt wurden und eine Pfadfinderjurte zu besuchen war und durch das schöne Wetter viele zu angeregten Gesprächen auf den Biergarnituren vorm Martin-Butzer-Haus sitzen geblieben waren, ging es in die Workshop-Phase.

Nach der Premiere des Imagefilms hatten die Synodalen die Wahl zwischen 7 Workshops: „Learn für Life“ (Schultagungen), „Mental health“ (Seelische Gesundheit), „Vote!“ (Partizipation junger Menschen), „This is my chuch“ (Junge Kirche), „Music makes the world go round“ (kirchl. Musikarbeit), „Online“ (digitale Kommunikation/Social Media) sowie „Summertime“ (Freizeitenarbeit).
Angeregt wurde dort nicht nur geredet, sondern ganz praktisch aus den jeweiligen Bereichen Elemente ausprobiert.

Im Plenum wurden dann die von der Steuerungsgruppe entwickelten 12 Thesen zu kirchlicher Jugendarbeit vorgestellt und diese in zwei Gruppen – Synodale ü27 und junge Menschen u27 – priorisiert.
Bemerkenswert ist, dass These 9 von den anwesenden Menschen unter 27 Jahren am höchsten bepunktet wurde:
"Damit wir uns in unserer Kirche beheimatet fühlen, brauchen wir Hauptberufliche in der Jugendarbeit, die uns auf der Suche nach einem gelingenden Leben unterstützen und dafür Sorge tragen, dass der Schutz der körperlichen und seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gewährleistet wird."
Von Synodalen wurde folgende These (12) am höchsten bepunktet: "Damit wir uns in unserer Kirche beheimatet fühlen, brauchen wir eine Kirche, die sich so weiterentwickelt, dass junge Menschen überhaupt noch eine Zukunft für sich in ihr suchen und finden können."
Aus diesen beiden Prioritäten lassen sich doch gemeinsame Ziele erkennen und Strategien ableiten.
Die detaillierten Ergebnisse hier.

Nach dem Abendessen ging es fließend über in den Abend, der der Begegnung und dem Austausch gewidmet sein sollte. Neben Spieleangeboten, Loungemusik, Cocktailbar, Waffeln, Chillbereich, Tischkicker und vielem mehr kamen sich die Synodalen und ihre jungen Gäste, die Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen einander im Gespräch näher. Ob dies nun nachhaltige Einblicke in die Welt von jungen Menschen verschafft hat und sich in den Gedanken und Entscheidungen der gewählten Kirchenvertreter*innen niederschlägt, bleibt abzuwarten.

Den Tag schloss ein Abendgottesdienst unter der Regie der Ev. Jugend Maxdorf, Pfarrer Stefan Fröhlich und musikalisch vom Jugendchor Pirmasens unter der Leitung von Maurice Croissant im Wechsel mit Liedbeiträgen der Maxdorfer.
Das Martin-Butzer-Haus wurde tatkräftig in der Küche und bei der Versorgung der rund 250 Gäste an diesem Tag unterstützt durch Mitarbeiter*innen des Landesjugendpfarramts. Ihnen sei an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt!

Die Stimmung am sogenannten Jugendsynodaltag war eine sehr zugewandte, wohlwollende und positive. Viele Ehren- und Hauptamtliche kamen zu der Synode aus allen Ecken der Pfälzischen Landeskirche, um deutlich zu machen, dass sie da sind, mit Herzblut für junge Menschen arbeiten und deren Interessen mehr Gehör geschenkt wissen wollen. Diese Stimmung weiterzutragen ist nun an der Synode, die in den nächsten Jahren viele auch schwere Entscheidungen hinsichtlich des Prio-Prozesses zu fällen hat.

Impressionen